Auf Einladung der „Jungen Alten“ besuchte die Märchenerzählerin Lotte von der Inde Heimbach
Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Die Märchenerzählerin Lotte von der Inde lächelt. Sie weiß, dass alte Geschichten von wilden Tieren, Spukhäusern und Unholden noch immer verzaubern, wenn sie richtig erzählt werden. Und sie weiß, wie sie die Menschen in Bann ziehen kann: Mit Worten, die Urängste berühren.
Auf Einladung der „Jungen Alten“ wanderte Lotte von der Inde mit ihren Zuhörern durch den Heimbacher Wald, und – wie es der Zufall wollte – erlebten sie schon auf den ersten Metern eine Schrecksekunde: Am Wegesrand lag ein junges, totes Reh mit einer blutigen Biss-Spur am Hals. „Der Wolf hat das arme Tier gerissen“, war die einhellige Meinung, und Beklemmung machte sich breit. Kann es sein, dass ER tatsächlich wieder durch die Heimbacher Wälder streift?
Lotte von der Inde griff den Faden auf, erzählte von der Wölfin, die sich in einen jungen Mann aus Thum verliebt hatte und für ihn ihren Wolfspelz ablegte, um zwölf Jahre lang an seiner Seite zu leben – glücklich, bis zu dem Tag, als ihr Freiheitsdurst und ihre wilde Seele wieder geweckt wurden…
Es liegt ein Zauber auf diesen alten Geschichten, zumal sie oft in einem erlösenden Lachen enden. Wer glaubt denn noch, dass es in einem alten Heimbacher Haus spukt oder dass das Hövelsmännchen bis in alle Zeit im Kermeter sein Unwesen treiben muss?
Aber es ist anregend, sich noch einmal berühren zu lassen von Lotte von der Inde, die die alte, fast vergessene Tradition des Erzählens hütet und am Heimbacher Labyrinth ein mittelalterliches Lied singt, das – so will es die Legende – den Feind in die Flucht getrieben haben soll.
In der Gaststätte „Kafila“ endete die Märchenexpedition. Und dort erzählte Lotte von der Inde die Geschichte von den beiden jungen Burschen, die nicht glauben wollten, dass es im Zitterwald bei Udenbreth spukt. Betrunken zogen sie nachts los, um grölend und lachend eine junge Buche zu fällen. Doch mit jedem Schlag verdichtete sich der Wald, es war ein Rauschen und Dröhnen zu hören, ein Ächzen und Schlagen. Panisch ergriffen die Burschen die Flucht und warnten fortan alle davor, dem Zitterwald zu nahe zu kommen.
„Zurzeit wird in unseren Wäldern viel Holz gefällt“, schloss Lotte von der Inde, alias Susanne Lachnit ihre Geschichte. „Es heißt, Fällungen verjüngten den Wald. Die alten Geschichten sagen etwas Anderes. Am besten lassen wir unsere Wälder in Ruhe. Sie wissen auch ohne jeden Eingriff, was gut für sie ist – und für uns.“ ush


